Diese Geschichte ist aus dem Buch „Rauhnächte“ von Harald Krassnitzer
Als Sigfús Jónsson seine Probstei in Höfði innehatte, war Jónas, der Sohn von Pfarrer Jón auf þönglabakki (der dort jung seinen beiden Söhnen weggestorben war), als Pflegekind bei ihm. Sigfús hatte diesen Jónas also mitsamt den Schafen, die er geerbt hatte, bei sich aufgenommen.
Es geschah eines Weihnachtsabends oder an einem Silvester. Jónas, damals schon fast zwanzig, gut gereift und kräftig gewachsen, wurde von Sigfús, der dem Alkohol zuneigte, nach Grenivík gesandt (dem Höfði am nächsten gelegenen Hof). Er bat ihn, aus Grenivík Branntwein zu holen, ein Fässchen voll, denn dort wurde er aufbewahrt. Von Jónas’ Gang wird nichts berichtet, bis dieser wieder den Heimweg antrat.
Der Weg führt am Meer entlang in den Eyjafjörður. Plötzlich meinte Jónas einen Mann zu sehen, der vom Strand heraufkam und ihn verfolgte. Aber als Jónas an eine Schlucht gelangte, die Grenjagil heißt und aus der ein Fluss fließt, meinte er, dass da weiter oben vier Männer mit einem Schlitten führen und ihnen ein Hund folgte und hörte sein lautes Bellen.
Jónas setzt seinen Weg fort, er überwindet die Schlucht, bevor ihm die Männer entgegenkommen. Aber als er es auf die andere Seite geschafft hat, bleibt er stehen und wirft den Männern einen Gruß zu, laut und deutlich, aber sie erwidern ihn nicht und sehen ihn auch nicht an.
Das kommt ihm seltsam vor und er bekommt es mit der Angst zu tun. Er geht weiter, dreht sich vorsichtig um, aber sieht nichts und da nimmt die Beklemmung zu, obwohl er sonst unerschrocken war und keine Angst vor der Dunkelheit hatte.
Der Mond war im Zunehmen und sandte seinen schwachen Schein, doch zuweilen verdeckten ihn die Wolken. Den anderen Mann meint er deutlich hinter sich zu erkennen, er ist ihm immer noch auf den Fersen. Jónas hastet voran. Aber als er an die Schären kommt, die vor Höfði liegen, sieht er noch einen Mann vom Meer heraufgehen. Er meint zu sehen, dass dieser auf dem Rücken eine Butte trägt oder eine Heutrage, er kommt direkt auf ihn zu.
Von all dem bekommt er furchtbare Angst, er geht immer schneller, bis er nach Hause in die Nähe des Stalls kommt, der vor dem Hofgebäude von Höfði liegt. Der Hof war nicht verschlossen und er stürzt ins Haus. Da lässt Jónas den Sack mit dem Fässchen auf den Boden fallen und das Licht in der Stube kommt ihm wie ein roter Feuerball vor.
Als ihn der Probst anblickte, sprach dieser: »Um Gottes Willen, was ist mit deinen Augen geschehen, Jónas? Wie furchtbar sie aussehen; es ist, als hättest du einen Menschen umgebracht oder wärest auf der Flucht vor Unfrieden.«
Jónas antwortet nicht, geht sofort zu seinem Bett, wirft sich hinein und grübelt darüber nach, was sich da ereignet hat. Einige Zeit später erzählt er davon, sagt aber, dass er keine Ahnung habe, wer ihm da begegnet sei.
Auf dem nächsten Hof lebte eine steinalte Frau mit unerschöpflichem Gedächtnis und großem Wissen und kurz nach diesem Ereignis ging Jónas zu ihr. Er erzählte ihr die Geschichte und bat sie, ihm zu sagen, was dies alles zu bedeuten habe. Da berichtete sie, dass in ihrer Jugend einmal vier Männer, jeweils zwei davon Brüder, mit einem Schlitten und einem Hund aus den Fjorden auf die Leirdalsheide hinaufgezogen seien. Dort hätten sie sich in einem Schneesturm verirrt und seien in der Schlucht umgekommen, die er auf seinem Weg gequert habe.
Danach sagt ihm die Alte, dass vor vielen Jahren ein Knecht nach Grenivík gekommen sei und begonnen habe, ihr nachzustellen. Doch sie habe ihn mit harten Worten abgewiesen. Da sei er in Rage geraten und habe sich von einem Felsen ins Meer gestürzt, genau da, wo er den Mann gesehen habe, und man sei dort seiner oft gewahr geworden.
Dann sagte sie ihm, dass man vor fast zwanzig Jahren einen herumziehenden Mann namens Ivar draußen bei den Schären oberhalf von Höfði mit einer Heutrage oder einem Korb auf dem Rücken leblos aufgefunden habe. Ein einjähriges Mädchen, seine Tochter Guðrún, lag in dem Korb. Sie zeigte noch Lebenszeichen, und mittlerweile sei sie erwachsen und eine verheiratete Frau.
Jónas berichtete später, er sei danach noch oft den Weg am Meer entlanggegangen und nie mehr habe er seltsame Erscheinungen gehabt. Doch in der Christnacht oder zu Silvester habe er sich von da an niemals mehr hinausgewagt.