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Der arme Tischler und der Herr des Waldes

Diese Geschichte ist aus dem Buch „Rauhnächte“ von Harald Krassnitzer
Bildquelle: Wikipedia „der grüne Mann“

Vor Jahren lebte ein armer Tischler mit seiner alten Mutter, seiner Frau und seinen drei Kindern am Rande des großen Waldes. Sie mussten keinen Hunger leiden, doch manchmal fehlte das Geld, um neue Kleidung für die Kinder oder Medizin für die kranke Mutter zu kaufen.

Eines Winters, in dem es sehr kalt war und die Wölfe lauter heulten als sonst, war die Armut besonders drückend. Unter dem Christbaum hatten keine Geschenke gelegen, und die traurigen Augen seiner Kinder machten auch den armen Tischler traurig.

Er wusste nicht, was er tun sollte: Er war fleißig und beherrschte sein Handwerk, doch es gab nicht genug Leute, die ihre Tische und Stühle bei ihm anfertigen ließen. Vielleicht lag es daran, dass er alles, was er tat, sehr sorgfältig machte und mehr Zeit brauchte als andere seiner Zunft. Am liebsten hätte er jedes Stück mit kunstvollen Schnitzereien versehen, doch das wollten die Leute nicht – und wollten sie es, so wollten sie doch nicht für diese Arbeit zahlen.

In einer dunklen Rauhnacht plagte die Schwermut den armen Tischler so sehr, dass er es nicht im Hause aushielt. Er zog sich einen dicken Mantel an und ging hinaus, in die klirrende Kälte der letzten Nacht des Jahres. Die Kälte machte seinen Kopf klar, doch die Schwermut blieb, wie ein leiser Ruf aus der Ferne.

Ohne es zu merken, war der Tischler tief in den Wald geraten. Der Vollmond schien, und es war ganz still im Wald. Er begann sich ein wenig zu fürchten. Hieß es nicht, dass in den Rauhnächten das kleine Volk oft aus der Erde kam und den Menschen Streiche spielte? Er hatte von Moosweiblein und Holzmännchen gehört, die einsame Wanderer in die Irre geführt hatten. Aber hatten die Alten im Dorf nicht auch gesagt, dass das kleine Volk großes Glück bringen könnte, wenn man ihm zur rechten Zeit, am rechten Ort und mit Höflichkeit begegnete?

Kaum hatte er das gedacht, meinte er, kleine Gestalten hinter den Bäumen hervorlugen zu sehen, und ihn schauerte. Doch er fasste sich ein Herz. Vielleicht war ja gerade heute die richtige Zeit. In diesem Moment fiel ihm ein Spruch ein, den er als Kind von seinem Großvater gehört hatte:

»Kleines Volk, kommt herfür, seht mein Herz, vertrauet mir, Mondenschein, Waldesklang zeiget euch, mir ist nicht bang.«

Kaum hatte er diese Worte geflüstert, raschelte es im Gebüsch, und der Tischler meinte, feine Stimmchen lachen zu hören. Er sah hinter den Busch, doch da war nichts. Enttäuscht wandte er sich um – und da standen zwei kleine Wichte vor ihm.

»Menschenkind, gib gut acht, bei vollem Mond der Neujahrsnacht hat mancher schon sein Glück gemacht. Dreimal wünsche, doch wünsche klug: Dann hast du für dein Leben genug.«

Damit verschwanden sie, als hätte der Wind sie fortgeweht, und nur ein leises, fernes Gelächter hing im Wald. Der arme Tischler wusste nicht, ob er geträumt hatte. Was hatten die Wichte gesagt? Er habe drei Wünsche? Er wollte schon den ersten Wunsch aussprechen, da fiel ihm ein, dass der Großvater nicht nur von der rechten Zeit und dem rechten Ort, sondern auch von der Höflichkeit gesprochen hatte. Er hatte ihn auch einen Spruch dazu gelehrt. Er verbeugte sich und sprach:

»Ich danke den Herren des Waldes. Ich ehre die Herrin des Waldes. Ich danke euch für eure Gabe …«

Es gab noch eine Zeile, doch die wollte ihm nicht einfallen. Schließlich sagte er:

»… auch wenn ich sie nicht verdienet habe.«

Da erschien ein riesenhafter alter Mann und donnerte: »Wünschen willst du also? Aber den Dankspruch kennst du nicht?«

Der Tischler zitterte und sprach: »Vergebt mir, Herr des Waldes.«

Der Alte nickte. »Deine Absicht war gut, und auch dein Reim war zwar nicht richtig, doch recht. Doch da du den richtigen Spruch nicht weißt, hast du nur einen Wunsch. Drum wünsche dreifach klug!« Er reichte dem Tischler einen Eisenring. »Steck den Ring an deinen Finger. Sprich deinen Wunsch, und drehe den Ring, und du wirst bekommen, was dir zukommt.«

Der Tischler hätte den Herrn des Waldes gerne noch befragt. Aber der war so plötzlich verschwunden, wie er gekommen war. Der Tischler rief noch einmal in den Wald: »Ich danke dem Herrn des Waldes und allen seinen Untertanen!«

Nun begann das Nachdenken. Was könnte er sich wünschen? Einen Beutel Gold. Nein, besser eine Truhe Gold. Oder eine große Werkstatt in der Stadt. Könnte er nicht, wenn er es sich nun schon wünschen dürfte, sogar Graf sein? Dem armen Tischler wurde ganz schwindelig.

Doch er war ein guter Kerl, und er hatte den Erzählungen seiner Großeltern immer genau zugehört. Wie viele Geschichten hatte er gehört, wo jemandem Wünsche gewährt wurden, doch seine törichten, selbstsüchtigen Wünsche hatten ihm nur Unglück gebracht!

So dachte der Tischler an seine liebe Frau, an seine geliebten Kinder und an seine alte, gute Mutter, und alle Selbstsucht verschwand aus seinem Herzen.

»Ich wünsche mir nur, dass es meinen Lieben gut im Leben gehen möge!« Und er bemerkte kaum, dass er dabei den Ring gedreht hatte.

Der Tischler war nun voller Zuversicht und ging mit frohem Herzen nach Hause. Es war noch immer die arme Hütte, doch er fühlte sich, als würde er in ein Schloss einkehren. Als er die Tür öffnete, stürmten seine Frau und seine Kinder zu ihm und fragten, was er denn so lange im Wald getan habe? Doch der Tischler lächelte nur, denn er wusste, dass man nicht leichtfertig von den Begegnungen mit dem kleinen Volk sprechen durfte.

Und wurde sein Wunsch erfüllt? Ja, doch nicht wie ein Zauber, sondern ganz so, als ob alles seinen natürlichen Gang ginge. Die alte Mutter wurde wieder gesund, niemand wurde mehr krank, und die Familie war arm, aber glücklich. Und schließlich verließ auch die Armut das Haus, die so viel Glück nicht ertragen konnte.

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