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Der vierte König

Dankbar gefunden auf rauhnachtzauber.com

Außer Caspar, Melchior und Balthasar war auch ein vierter König aus dem Morgenland aufgebrochen, um dem Stern zu folgen, der ihn zu dem göttlichen Kind führen sollte. Dieser vierte König hieß Coredan. Drei wertvolle rote Edelsteine hatte er zu sich gesteckt und mit den drei anderen Königen einen Treffpunkt vereinbart.

Doch Coredans Reittier lahmte unterwegs. Er kam nur langsam voran, und als er bei der hohen Palme eintraf, war er allein. Nur eine kurze Botschaft, in den Stamm des Baumes eingeritzt, sagte ihm, dass die anderen drei ihn in Betlehem erwarten würden.

Coredan ritt weiter, ganz in seinen Wunschträumen versunken.

Plötzlich entdeckte er am Wegrand ein Kind, bitterlich weinend und aus mehreren Wunden blutend. Voll Mitleid nahm er das Kind auf sein Pferd und ritt in das Dorf zurück, durch das er zuletzt gekommen war. Er fand eine Frau, die das Kind in Pflege nahm. Aus seinem Gürtel nahm er einen Edelstein und vermachte ihn dem Kind, damit sein Leben gesichert sei.

Doch dann ritt er weiter, seinen Freunden nach. Er fragte die Menschen nach dem Weg, denn den Stern hatte er verloren. Eines Tages erblickte er den Stern wieder, eilte ihm nach und wurde von ihm durch eine Stadt geführt. Ein Leichenzug begegnete ihm. Hinter dem Sarg schritt eine verzweifelte Frau mit ihren Kindern. Coredan sah sofort, dass nicht allein die Trauer um den Toten diesen Schmerz hervorrief. Der Mann und Vater wurde zu Grabe getragen. Die Familie war in Schulden geraten, und vom Grabe weg sollten die Frau und die Kinder als Sklaven verkauft werden. Coredan nahm den zweiten Edelstein aus seinem Gürtel, der eigentlich dem neugeborenen König zugedacht war. „Bezahlt, was ihr schuldig seid, kauft euch Haus und Hof und Land, damit ihr eine Heimat habt !“

Er wendete sein Pferd und wollte dem Stern entgegenreiten – doch dieser war erloschen.

Sehnsucht nach dem göttlichen Kind und tiefe Traurigkeit überfielen ihn. War er seiner Berufung untreu geworden? Würde er sein Ziel nie erreichen?

Eines Tages leuchtete ihm sein Stern wieder auf und führte ihn durch ein fremdes Land, in dem Krieg wütete. In einem Dorf hatten Soldaten die Bauern zusammengetrieben, um sie zu töten. Die Frauen schrieen und Kinder wimmerten. Grauen packte den König Coredan, Zweifel stiegen in ihm auf. Er besaß nur noch einen Edelstein – sollte er denn mit leeren Händen vor dem König der Menschen erscheinen? Doch dies Elend war so groß, daß er nicht lange zögerte, mit zitternden Händen seinen letzten Edelstein hervorholte und damit die Männer vor dem Tode und das Dorf vor der Verwüstung loskaufte.

Müde und traurig ritt Coredan weiter. Sein Stern leuchtete nicht mehr.

Jahrelang wanderte er. Zuletzt zu Fuß, da er auch sein Pferd verschenkt hatte. Schließlich bettelte er, half hier einem Schwachen, pflegte dort Kranke; keine Not blieb ihm fremd.

Und eines Tages kam er am Hafen einer großen Stadt gerade dazu, als ein Vater seiner Familie entrissen und auf ein Sträflingsschiff, eine Galeere, verschleppt werden sollte. Coredan flehte um den armen Menschen und bot sich dann selbst an, anstelle des Unglücklichen als Galeerensklave zu arbeiten.

Sein Stolz bäumte sich auf, als er in Ketten gelegt wurde. Jahre vergingen. Er vergaß, sie zu zählen. Grau war sein Haar, müde sein zerschundener Körper geworden.

Doch irgendwann leuchtete sein Stern wieder auf.

Und was er nie zu hoffen gewagt hatte, geschah. Man schenkte ihm die Freiheit wieder; an der Küste eines fremden Landes wurde er an Land gelassen. In dieser Nacht träumte er von seinem Stern, träumte von seiner Jugend, als er aufgebrochen war, um den König aller Menschen zu finden.

Eine Stimme rief ihn: „Eile, eile!“

Sofort brach er auf, er kam an die Tore einer großen Stadt. Aufgeregte Gruppen von Menschen zogen ihn mit, hinaus vor die Mauern. Angst schnürte ihm die Brust zusammen. Einen Hügel schritt er hinauf, Oben ragten drei Kreuze. Coredans Stern, der ihn einst zu dem Kind führen sollte, blieb über dem Kreuz in der Mitte stehen, leuchtete noch einmal auf und war dann erloschen.

Ein Blitzstrahl warf den müden Greis zu Boden. „So muß ich also sterben, sterben, ohne dich gesehen zu haben? So bin ich umsonst durch die Städte und Dörfer gewandert wie ein Pilger, um dich zu finden, Herr?“ Seine Augen schlossen sich. Die Sinne schwanden ihm.

Da aber traf ihn der Blick des Menschen am Kreuz, ein unsagbarer Blick der Liebe und Güte.

Vom Kreuz herab sprach die Stimme: „Coredan, du hast mich getröstet, als ich jammerte, und gerettet, als ich in Lebensgefahr war; du hast mich gekleidet, als ich nackt war!“ Dann neigte der Mann am Kreuz das Haupt und starb.

Coredan erkannte mit einemmal: Dieser Mensch ist der König der Welt. Ihn habe ich gesucht in all den Jahren.

Er hatte ihn nicht vergebens gesucht, er hatte ihn doch gefunden.

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Männer

Eigal, der fürchterliche Krieger

Quelle: märchenstiftung.ch

In einem kleinen Dorf in Somalia lebte ein Mann, der hiess Eigal. Er wohnte friedlich in einer kleinen Hütte zusammen mit seiner Frau. Einmal aber war es vorbei mit dem Frieden, denn ein fremder Stamm überfiel das Dorf, in dem Eigal wohnte. Alle tapferen Männer zogen aus, um gegen die fremden Krieger zu kämpfen. Sie nahmen ihre Lanzen und Messer, sattelten die Pferde und galoppierten auf den Hügel in die Schlacht. Eigal seufzte. Auch er musste in diesen Krieg ziehen, sich der Schlacht stellen, Krieger töten und vielleicht selbst getötet werden. Lange sass er da und seufzte. Endlich rief er seine Frau und sagte: «Bitte bring mir meine Sandalen.» Die Frau brachte sie ihm eiligst herbei, denn ohne Schuhe konnte er nicht in die Schlacht ziehen. Eigal zog sich die Sandalen an, seufzte wieder, ging vor das Haus und schaute zum Hügel, wo die Krieger mit ihren Pferden eine riesige Staubwolke hinterliessen. «Bitte sattle mein Pferd!», sagte er seiner Frau. Die Frau holte sein Pferd, sattelte es und brachte es. Eigal nickte und schaute noch einmal die Strasse hinauf. Immer noch ritten Krieger zum Hügel, wo die Schlacht tobte. «Bitte hilf mir in den Sattel», sagte er.
Die Frau half ihm. Als er auf dem Pferd, sass stimmte Eigal sein Kampflied an:

„Hei-ho! Ich reite in den Kampf!
Hei-ho! Ich reite in den Kampf!
Feind, hüte dich! Ich bin so weit!
Feind, zittere, denn jetzt wird es Zeit!
Du stirbst durch meine Hand,
Mach dich bereit!“

Dann seufzte er wieder und sprach: «Bitte hole mir mein Kampfmesser!» Seine Frau holte es. Er seufzte und sagte: «Ich brauche auch meinen Schild!» Sogleich ging die Frau, um auch den Schild zu holen. «Die Lanze habe ich noch vergessen!», rief er, und die Frau sprang wieder los, um die Lanze zu holen. «Bist du jetzt so weit?», fragte sie
«Ja», erwiderte Eigal. «Jetzt bin ich so weit.» Und er sang wieder das Kampflied:

„Hei-ho! Ich reite in den Kampf!
Hei-ho! Ich reite in den Kampf!
Feind, hüte dich! Ich bin so weit!
Feind, zittere, denn jetzt wird es Zeit!
Du stirbst durch meine Hand,
Mach dich bereit!“

Eigal seufzte, blickte in Richtung des Hügels, wo die Schlacht bereits in vollem Gange war, und rief: «Ich brauche noch eine zweite Lanze!» Die Frau ging ins Haus hinein und brachte ihm eine zweite Lanze. Da sprach Eigal: «Jetzt bin ich endlich so weit! Wenn ich in der Schlacht sterben muss, so kannst du allen sagen, dass ich ein fürchterlicher Krieger war!» Eigal rückte sich im Sattel zurecht, zog seine Augenbrauen finster zusammen, seufzte und sprach: «Ich brauche noch eine dritte Lanze!»
«Es gibt nur zwei, mehr sind nicht da!», entgegnete seine Frau. Da seufzte Eigal wieder und sprach: «Gut, dann ziehe ich jetzt in den Kampf.» Er wollte schon losreiten, da fiel ihm etwas ein: «Hast du mein Pferd gefüttert, damit es stark und schnell ist?»
«Ja», erwiderte die Frau.
«Hast du meinem Pferd zu trinken gegeben, damit es lange rennen kann?»
«Ja», sagte die Frau.
«Gut, dann ziehe ich jetzt in die Schlacht und lasse die Feinde vor Angst zittern!»
Eigal ritt davon. Erst langsam und dann immer schneller. Sein Pferd rannte wie der Blitz. Die Schlacht fand oben auf dem Hügel statt, doch Eigal stürmte mit dem Pferd in eine ganz andere Richtung, nämlich Richtung Tal. Nach einer Zeit schrie Eigal seinem Pferd ins Ohr: «Ich will dir nur sagen, dass du in die falsche Richtung springst! Auf dem Hügel ist die Schlacht!» Doch das Pferd kümmerte sich nicht darum, sondern galoppierte weiter. «Wir sollten umdrehen!», meinte Eigal. «Ich will nicht auf den Markt, sondern muss zum Hügel reiten, um gegen die Feinde zu kämpfen!» Aber das Pferd lief immer weiter Richtung Tal. «Du solltest umdrehen, du dummes Tier! Der Feind muss meine spitze Lanze zu spüren bekommen!», rief Eigal aus. Doch das Pferd trug Eigal immer weiter Richtung Tal. Da kam vom Hügel her ein Krieger aus seinem Dorf angaloppiert und fragte: «Eigal, was machst du? Wieso reitest du Richtung Tal, wenn doch oben auf dem Hügel gekämpft wird?»
«Mein Pferd will mir nicht gehorchen, es hört nicht auf mich!», klagte Eigal.
«Aber Eigal», meinte der andere Krieger, «du musst ihm halt zeigen, was du willst!»
Er ritt nah an ihn heran und zog sanft am Zügel von Eigals Pferd. Da drehte sich das Pferd brav um und galoppierte nun Richtung Hügel.
«Endlich kann ich den Feinden Angst einjagen, damit ihnen vor Schreck die Haare zu Berge stehen!», rief Eigal dem Krieger zu. Das Pferd galoppierte schnell wie der Wind, und Eigal sang:

​​“Hei-ho! Ich reite in den Kampf!
Hei-ho! Ich reite in den Kampf!
Ich werde den Feind zermalmen,
Ich kenne kein Erbarmen.
Zertreten werd’ ich ihn fürchterlich,
Denn Mitleid kenn’ ich nicht.
Zittert alle, jetzt komm’ ich!»

Bald hörte Eigal den Lärm der Schlacht und das ohrenbetäubende Rasseln der Waffen. Da spürte das Pferd plötzlich, wie Eigal am Zügel zog. Hatte er es extra gemacht oder aus Versehen? Das Pferd gehorchte, drehte um und galoppierte so schnell es konnte wieder zurück Richtung Dorf. Eigal aber rutschte mitsamt dem Sattel langsam unter den Bauch von seinem Pferd, wo ihn niemand sehen konnte. Er rasselte mit den Waffen und sang in furchterregendem Ton:

„Hei-ho! Der Feind soll laufen,
Vor meiner Lanze da!
Hei-ho! Der Feind soll laufen,
Vor meiner spitzen Lanze da!
Ich falle ihn von unten an,
Hei-ho! Was läuft er dann!»

Das Pferd lief geradewegs zu Eigals Haus. Die Frau hörte schon von Weitem den schrecklichen Kriegsgesang. Sie sah das Pferd heranstürmen, doch von Eigal keine Spur. Erschrocken kam sie aus dem Haus, da sah sie ihn, unter dem Bauch vom Pferd hängen. «Was machst du denn da unter dem Pferd?», fragte sie. «Ach, das dumme Tier macht doch, was es will. Erst springt es in die falsche Richtung, dann dreht es so schnell, dass ich unter seinen Bauch rutsche. Aber die Feinde haben sich ganz schrecklich gefürchtet vor mir!», sprach Eigal, der unter dem Bauch des Pferdes hervorlugte. «Was soll ich jetzt machen? Ich kann doch nicht zu Fuss in die Schlacht ziehen!» Er liess sich auf die Erde plumpsen, und da fiel es ihnen beiden auf: Es war ganz still geworden auf dem Hügel. «Die Schlacht ist vorbei!», sagte seine Frau. Eigal schaute zum Schlachtfeld und sah, dass einige Reiter auf das Dorf zuritten. «Hilfe!», rief Eigal voller Schrecken. «Jetzt kommen die Feinde, was soll ich bloss tun?» Schnell lief er ins Haus, legte sich mitten auf den Teppich und sprach: «Wenn die Feinde da sind, sag ihnen, dass ich gestorben bin, dann tun sie uns nichts», dann schloss er die Augen und tat so, als sei er tot. Die Reiter kamen jubelnd in das Dorf geritten. Eigals Frau stand vor dem Haus, und drinnen sah man ihren Mann auf dem Teppich liegen. Die Reiter sprangen aus dem Sattel und fragten: «Was ist denn mit Eigal geschehen? Wir kommen, um mit ihm zu feiern, denn wir konnten die Feinde vertreiben!» In diesem Moment erkannte die Frau die Krieger, es waren alles Männer aus dem Dorf. Auch Eigal erkannte sie, er hatte nämlich jedes Wort gehört. Er sprang auf, klatschte in die Hände und rief: «Wir haben gewonnen, wir haben gewonnen! Seht ihr, meine Kriegstechnik hat die Feinde verjagt!» Dann sprang er herum, tanzte und sang:

„Hei-ho! Der Feind ist geflohen,
Er hat noch Glück gehabt,
Hätt’ er an meiner Lanze nur gerochen,
Wär’ er vor Schreck in den Busch gekrochen.
Er hat noch Glück gehabt!

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Die Versammlung der Gefühle

Gefunden auf lichtkreis.at

Vor langer, langer Zeit wurden die Gefühle geschaffen, um in den Menschen
zu wohnen. Ihre Bestimmung war es, den Menschen zu einem
sinnvollen, glücklichen und erfüllten Leben zu verhelfen. Alle Gefühle
waren erfreut, eine so schöne, wie verantwortungsvolle Aufgabe bekommen
zu haben. Sie hatten ihre eigene Rangfolge und jeder wusste um
seinen Platz und seine Bestimmung.

Die Liebe war seit jeher das größte und beliebteste Gefühl; sie hatte immer
für jeden ein offenes Ohr. Dicht bei der Liebe stand die Dankbarkeit;
diese stärkte die Zufriedenheit …

Lange Zeit lebten alle Gefühle harmonisch und ausgewogen miteinander.
Wurde die Sorge mal zu groß, kam umgehend die Zuversicht zur Hilfe.
Dem großen Kummer half stets der Trost, ebenso wurde die Schwere
von der Leichtigkeit unterstützt. In diesem Sinne halfen sich alle Gefühle
gegenseitig, wenn sie gebraucht wurden.

Eines Tages mussten die Gefühle jedoch feststellen, dass sie ihre Aufgaben
kaum mehr bewältigen konnten. Manche wurden immer öfter von
den Menschen unterdrückt und kamen seltener zum Vorschein. Andere
hingegen bekamen viel mehr Macht als ihnen lieb war.
Die Menschen erstellten zwei Kategorien für ihre Emotionen und unterteilten
diese in »positive« und »negative« Gefühle.
Das Materielle, Laute und Schnelle bekam einen immer größeren Stellenwert.
Weltweit berichteten die Medien vorwiegend über das »Schreckliche
« und nur selten über das »Gute«!
Hass, Wut, Neid, Ärger, Eifersucht, Gier, Angst und Sorge … wurden
stärker, so dass sie auf Hochtouren liefen, um ihre Anforderungen zu
bewältigen und schließlich ständig überfordert waren.

Die bislang positiven Gefühle waren verzweifelt, sie wurden immer weniger
wahrgenommen. Sätze wie: »Geiz ist geil«, »Liebe macht blind«, »Zeit ist Geld«,
zogen immer größere Kreise. Trotz allergrößter Anstrengungen wurden die
Gefühle Liebe, Dankbarkeit, Glück, Freude, Leichtigkeit … immer
mehr verdrängt.
Das Gleichgewicht unter den Gefühlen stimmte nicht mehr.

Die Angst und Verzweiflung wurde immer größer, die Traurigkeit
weinte seit vielen Stunden, die Wut und Verurteilung machten den Hass
für alles verantwortlich…

Als alle Gefühle beinahe restlos überfordert waren, sprachen die Hoffnung
und die Zuversicht ein Machtwort!
Es wurde erstmalig eine Versammlung aller Gefühle einberufen.
Geraume Zeit beratschlagten sie, wie sie wieder in Einklang leben könnten
und erstellten folgenden Plan:


•    Die Liebe soll wieder das stärkste und mächtigste Gefühl sein, denn
alles was mit Liebe geschieht, ist immer gut!
•    Die Dankbarkeit soll auch ganz oben stehen, denn wenn man dankbar
ist, zieht man immer mehr an, für das man dankbar sein darf.
•    Die Hoffnung bekam wieder ihren Platz, denn wenn man hoffen kann,
gibt man nicht so schnell auf.
•    Das Glück, die Freude und die Leichtigkeit bekamen wieder ihren
bedeutenden Stellenwert und sie umarmten sich innig.
•    Die Traurigkeit war müde und durfte sich zurückziehen, mit der Er-
kenntnis, dass auch sie wichtig ist, denn nur wer fähig ist, manchmal
traurig zu sein, ist auch fähig zum Lieben und zum Glücklich sein.
•    Die Angst und die Sorge durften sich zufrieden in den Hintergrund
stellen, dennoch wussten sie, dass sie schnell vor Ort sein könnten,
wenn sie gebraucht wurden, um den Menschen vor Schlimmerem zu
bewahren.
•    Die Verzweiflung begnügte sich mit ihrem kleinen Plätzchen am Rande
und blickte glücklich zur Hoffnung.

Als alle Gefühle wieder im Einklang waren, kam der Hass hervorgekrochen.
Mit einem zufriedenen Lächeln umarmte er die Liebe, sowie alle
anderen Gefühle und sprach: »Ich habe viel zu lange auf dieser Welt
regiert, schon lange möchte ich gehen. Nun, da die Harmonie wieder
eingekehrt ist, kann ich endlich in Frieden ziehen. Lebt wohl!«
Die Weisheit sprach das Schlusswort: »Wenn der Mensch es zulässt
seine Gefühle wahrzunehmen und jedem Gefühl seinen angemessenen
Platz gibt, wird er erkennen, dass das Leben ein Geschenk ist – einzigartig,
lebendig und wunderschön!«

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Die Geschichte von Mann und Frau

Bild: Netzfund

Es war einmal vor langer Zeit, noch bevor die Dinge aus den Fugen gerieten und verdreht wurden. Bevor Mächte im Namen Gottes die Menschen verfolgten, verletzten und blendeten. Es war eine Zeit, in welcher die heilige Verbindung zwischen Mann und Frau noch heilig war. Es war eine Zeit, als die Männer oft unter sich waren und in Verbindung mit der Natur lebten. Es war die Zeit des grünen Mannes. Es war eine Zeit, als sich die Frauen als Töchter der Erde sahen, und den Ursprung des Lebens in ihrem Schoss würdigten.

In dieser Zeit verkörperte die Frau die sexuelle Stärke, die unbändige Lust und die Kraft der Materie. Die Kraft des Mannes war sein Herz. Seine Fähigkeit war es, zu fühlen und sich davon leiten zu lassen. Diese Männer waren standhaft, empfindsam und unbestechlich. In dieser Zeit schützte der Mann den Schoss der Frau. Und die Frau schützte das Herz das Mannes. Das war die heilige Union.

Als die Krieger aus fernen Ländern kamen, begegneten sie einer Macht, welcher sie nicht gewachsen waren. Sie begegneten Frauen, die keine Angst vor ihnen hatten und deren Anmut sie schwach werden liessen. Sie begegneten Männern, welche ihnen mit der Reinheit ihres Blickes das Mark in den Knochen gefrieren liessen. Ihre Versuche, diese Menschen zu kaufen, scheiterten. Ihre Versuche, Zwist zwischen den Stämmen zu säen, waren nicht erfolgreich. Ihre Kriegsversuche blieben erfolglos, denn entweder sie wurden geschickt in die Irre geführt – oder aber sie begegneten einem Gegenüber, welches sie das Fürchten lehrte.

In ihrer Ohnmacht begannen sie Dinge zu tun, welche in ihrer Abscheulichkeit alles übertrafen, was bisher auf dieser Welt je geschehen ist. Dinge von so einer tiefen Perversion, dass sie hier nicht explizit genannt werden sollen. Jedoch der eine oder andere, der dies liest, mag sich erinnern. Dinge, welche so tiefe Wunden hinterlassen würden, dass sie über Jahrtausende von Generation zu Generation weitergegeben würden. Es führte dazu, dass die Menschen irgendwann glaubten, dass der Kern der Männer ihre sexuelle Stärke und der Kern der Frauen ihre Gefühle seien. Männer wurden zu Krieger, welche – um kämpfen zu können – verlernten zu fühlen. Frauen verloren die Verbindung zu ihrer sexuellen Urkraft und verloren sich damit in den Intrigen der Emotion.

Und das ging so lange, bis eine Generation kam, welche sich der Geschichte und ihrer Schmerzen erinnerte. Die sich auf den Weg machte, alle diese Wunden zu versorgen und die Verdrehungen zu entdrehen. Es war die erste Generation von Frauen, die ihre sexuelle Stärke wieder lebte und die erste Generation von Männern, die ihre Herzenskraft wieder nutzte. Es war der Beginn einer goldenen Zeit.

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Seltsame Erscheinungen

Diese Geschichte ist aus dem Buch „Rauhnächte“ von Harald Krassnitzer

Als Sigfús Jónsson seine Probstei in Höfði innehatte, war Jónas, der Sohn von Pfarrer Jón auf þönglabakki (der dort jung seinen beiden Söhnen weggestorben war), als Pflegekind bei ihm. Sigfús hatte diesen Jónas also mitsamt den Schafen, die er geerbt hatte, bei sich aufgenommen.

Es geschah eines Weihnachtsabends oder an einem Silvester. Jónas, damals schon fast zwanzig, gut gereift und kräftig gewachsen, wurde von Sigfús, der dem Alkohol zuneigte, nach Grenivík gesandt (dem Höfði am nächsten gelegenen Hof). Er bat ihn, aus Grenivík Branntwein zu holen, ein Fässchen voll, denn dort wurde er aufbewahrt. Von Jónas’ Gang wird nichts berichtet, bis dieser wieder den Heimweg antrat.

Der Weg führt am Meer entlang in den Eyjafjörður. Plötzlich meinte Jónas einen Mann zu sehen, der vom Strand heraufkam und ihn verfolgte. Aber als Jónas an eine Schlucht gelangte, die Grenjagil heißt und aus der ein Fluss fließt, meinte er, dass da weiter oben vier Männer mit einem Schlitten führen und ihnen ein Hund folgte und hörte sein lautes Bellen.

Jónas setzt seinen Weg fort, er überwindet die Schlucht, bevor ihm die Männer entgegenkommen. Aber als er es auf die andere Seite geschafft hat, bleibt er stehen und wirft den Männern einen Gruß zu, laut und deutlich, aber sie erwidern ihn nicht und sehen ihn auch nicht an.

Das kommt ihm seltsam vor und er bekommt es mit der Angst zu tun. Er geht weiter, dreht sich vorsichtig um, aber sieht nichts und da nimmt die Beklemmung zu, obwohl er sonst unerschrocken war und keine Angst vor der Dunkelheit hatte.

Der Mond war im Zunehmen und sandte seinen schwachen Schein, doch zuweilen verdeckten ihn die Wolken. Den anderen Mann meint er deutlich hinter sich zu erkennen, er ist ihm immer noch auf den Fersen. Jónas hastet voran. Aber als er an die Schären kommt, die vor Höfði liegen, sieht er noch einen Mann vom Meer heraufgehen. Er meint zu sehen, dass dieser auf dem Rücken eine Butte trägt oder eine Heutrage, er kommt direkt auf ihn zu.

Von all dem bekommt er furchtbare Angst, er geht immer schneller, bis er nach Hause in die Nähe des Stalls kommt, der vor dem Hofgebäude von Höfði liegt. Der Hof war nicht verschlossen und er stürzt ins Haus. Da lässt Jónas den Sack mit dem Fässchen auf den Boden fallen und das Licht in der Stube kommt ihm wie ein roter Feuerball vor.

Als ihn der Probst anblickte, sprach dieser: »Um Gottes Willen, was ist mit deinen Augen geschehen, Jónas? Wie furchtbar sie aussehen; es ist, als hättest du einen Menschen umgebracht oder wärest auf der Flucht vor Unfrieden.«

Jónas antwortet nicht, geht sofort zu seinem Bett, wirft sich hinein und grübelt darüber nach, was sich da ereignet hat. Einige Zeit später erzählt er davon, sagt aber, dass er keine Ahnung habe, wer ihm da begegnet sei.

Auf dem nächsten Hof lebte eine steinalte Frau mit unerschöpflichem Gedächtnis und großem Wissen und kurz nach diesem Ereignis ging Jónas zu ihr. Er erzählte ihr die Geschichte und bat sie, ihm zu sagen, was dies alles zu bedeuten habe. Da berichtete sie, dass in ihrer Jugend einmal vier Männer, jeweils zwei davon Brüder, mit einem Schlitten und einem Hund aus den Fjorden auf die Leirdalsheide hinaufgezogen seien. Dort hätten sie sich in einem Schneesturm verirrt und seien in der Schlucht umgekommen, die er auf seinem Weg gequert habe.

Danach sagt ihm die Alte, dass vor vielen Jahren ein Knecht nach Grenivík gekommen sei und begonnen habe, ihr nachzustellen. Doch sie habe ihn mit harten Worten abgewiesen. Da sei er in Rage geraten und habe sich von einem Felsen ins Meer gestürzt, genau da, wo er den Mann gesehen habe, und man sei dort seiner oft gewahr geworden.

Dann sagte sie ihm, dass man vor fast zwanzig Jahren einen herumziehenden Mann namens Ivar draußen bei den Schären oberhalf von Höfði mit einer Heutrage oder einem Korb auf dem Rücken leblos aufgefunden habe. Ein einjähriges Mädchen, seine Tochter Guðrún, lag in dem Korb. Sie zeigte noch Lebenszeichen, und mittlerweile sei sie erwachsen und eine verheiratete Frau.

Jónas berichtete später, er sei danach noch oft den Weg am Meer entlanggegangen und nie mehr habe er seltsame Erscheinungen gehabt. Doch in der Christnacht oder zu Silvester habe er sich von da an niemals mehr hinausgewagt.

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Dumm-Maras Verwandlung

Diese Geschichte ist aus dem Buch „Rauhnächte“ von Harald Krassnitzer

Es war einmal ein Mädchen, das hieß Marie. Sie war sehr traurig, da ihr Bruder gestorben war, den sie sehr geliebt hatte. Ihr Vater war meist auf Reisen, ihre Mutter war schon lange tot und ihre Stiefmutter eine hartherzige Frau. Die Stiefmutter hieß ebenfalls Marie, und deshalb rief sie die kleine Marie nur Dumm-Mara.

So geschah es denn an einem kalten Wintertag, dass die Stiefmutter überlegte, wie sie der kleinen Marie eine schwere Aufgabe geben konnte. »Dumm-Mara!«, rief sie. »Geh, wasch die Kleider, damit sie für den Kirchgang sauber sind. Es ist kein Wasser im Haus. Du musst zum Brunnen.«

»Aber der Brunnen ist doch zugefroren«, sagte Marie.

»Komm mir nicht mit Ausreden, sonst wird es dir schlecht gehen!«, antwortete die Stiefmutter.

Also ging Marie mit der Wäsche zum Brunnen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, denn sie wusste wohl, dass man an den Rauhnachttagen nicht waschen soll – und wie sollte sie das auch tun, wo doch der Brunnen zugefroren war? So saß Marie am Brunnen und weinte.

Da brach das Eis, und aus der Tiefe des Brunnens kam ein warmer Hauch. Marie blickte in den Brunnen und sah eine golden glänzende Leiter, die in die Tiefe führte. Marie zögerte, doch dann fasste sie sich ein Herz und stieg hinab.

Als sie unten am Brunnengrund angekommen war, war dort ein kleines Bächlein, das munter plätscherte. Es floss durch ein kleines Tor, und dahinter war eine blühende Sommerwiese. Marie staunte und folgte dem Fluss des Bächleins. Den Korb mit Wäsche hatte sie noch auf dem Rücken. Sie nahm ihn ab und begann, die Kleider im Bächlein zu waschen. Da trat eine Frau auf sie zu, die war groß und strahlend, wie eine Königin.

»Kind, weißt du nicht, dass du in der Zeit der Rauhnächte nicht waschen darfst? Das ärgert die Frau Holle.«

Marie wurde rot und verneigte sich. »Verzeiht mir, Herrin. Ich weiß es wohl, doch meine Stiefmutter hat es mir befohlen.«

Die Dame sah Marie streng an. »Noch dazu wäschst du in meinem Bach. Auch das ist nicht erlaubt. Nun musst du bei mir bleiben und mir dienen.«

Marie dachte sich, dass es nicht schlimmer sein konnte als bei ihrer Stiefmutter, und so neigte sie den Kopf und folgte der Dame in ein großes Haus. Dort gab es viel zu tun: Zu putzen, zu kochen, zu spülen, zu backen und die Betten zu machen. Nur das Ausschütteln der Betten wollte die Herrin selbst tun: »Wenn ich die Betten schüttle, schneit es auf der Erde!«, sagte sie.

Marie tat fleißig alles, was ihr geheißen wurde, und die Herrin gewann sie lieb. Abends am Feuer erzählte sie Marie von Geheimnissen und wilden Dingen, auch von den Unterirdischen und den Himmlischen. Sosehr sich Marie auch bemühte, sich die Geschichten zu merken, so waren sie doch wie Träume, an die sich die Gefühle wohl erinnern, aber nicht die Gedanken.

Manchmal kamen wilde Reiter, und die Herrin ritt mit ihnen aus. Marie hütete dann das Haus, und da sie alles in Ordnung hielt, lobte sie die Herrin. Eines Tages sprach sie: »Marie, du hast mir gut gedient, und ich würde dich gern bei mir behalten, doch das geht nicht. Bevor du mich aber verlässt, will ich dir noch ein Geschenk machen. Tritt durch die Tür, die du bisher nicht öffnen durftest, mein liebes Kind.« Sie strich Marie zart über den Kopf, und Marie fühlte sich, als hätte ein Engel sie geküsst. »Denk an das, was dir am liebsten ist.«

Marie tat, wie ihr geheißen. Sie öffnete die Tür und trat in einen Garten, der war noch wunderbarer als alles, was sie bisher gesehen hatte. Jemand rief sie beim Namen, und ihr Herz machte einen Satz: Das war Johannes, ihr Bruder! Sie hatte sich gewünscht, ihn noch einmal wiederzusehen, und nun war er hier.

Die Geschwister fielen sich in die Arme, und Marie sah, dass ihr Bruder nicht mehr schwach und krank war, wie zu der Zeit, als er von ihr gegangen war – er sah stark und gesund aus, und aus ihm strahlte ein inneres Leuchten.

Als es dämmerte, verabschiedete sich ihr Bruder. »Hab keine Angst, Marie. Mir geht es so gut hier – und eines Tages wirst du wiederkommen und bei mir bleiben. Bis es so weit ist, werde ich immer über dich wachen und sehen, dass es dir gut ergeht!«

Marie weinte ein wenig, aber nicht sehr, denn die Worte des Bruders hatten sie sehr getröstet. Johannes nahm sie bei der Hand, führte sie zu einem Tor und gab ihr einen Abschiedskuss.

Als Marie durch das Tor trat, wurde es mit einem Mal ganz kalt, und sie stand vor dem zugefrorenen Brunnen. Ihr Korb mit der gewaschenen Wäsche stand auch dort, und zwischen den Kleidern funkelten Gold und Juwelen. Eilig sprang Marie nach Hause. Was würde wohl die Stiefmutter sagen – Marie war doch lange Zeit fort gewesen.

Doch die Stiefmutter wunderte sich gar nicht darüber, denn in der Welt außerhalb des Brunnens war nur eine Stunde vergangen. Sie wollte Marie schon ausschelten, da sah sie, dass nicht nur die Wäsche gewaschen war, sondern wie neu aussah – und dass der Korb voller wertvoller Edelsteine und Gold war.

»Ja, Dumm-Mara, wie hast du das gemacht?«, fragte sie und versuchte freundlich zu sein. Marie erzählte ihr alles.

Ohne weitere Worte zu verlieren, raffte die Stiefmutter alte, schmutzige Kleider zusammen und lief aus dem Haus, zum Brunnen. Aber der war zugefroren. Wütend schlug sie mit einem Stein auf das Eis, bis es brach. Tatsächlich: Da war kein Wasser, aber eine rostige Leiter. Sie stieg hinab und kam an das Bächlein am Grunde des Brunnens.

Sie folgte dem Bächlein ein Stück und begann, die schmutzigen, alten Kleider in den Bach zu halten. Da kam die Herrin und sah sie zornig an. Doch die Stiefmutter tat, als wäre sie ganz unterwürfig und gehorsam – und auch sie wurde zu dem großen Haus geführt, in dem sie dienen sollte. Doch sie wollte nicht dienen, sondern war begierig nach dem Gold und den Edelsteinen und tat, was ihr aufgetragen ward, nur halbherzig und widerwillig. Immer wieder versuchte sie, die Tür zu öffnen, die ihr die Herrin verboten hatte.

So dauerte es nur wenige Tage, bis die Herrin zu ihr sagte: »Du hast mir genug gedient. Gehe durch die Tür, durch die du immer gehen wolltest. Sie ist nun offen. Denke an das, was du dir wünschst – und du wirst deinen Lohn erhalten.«

Ohne weitere Worte wandte sich die Stiefmutter um und öffnete die Tür. Doch da war kein zauberhafter Garten, sondern ein düsterer Sumpf, in dem Feuer loderten und unheimliche Geister sie mit roten Augen anstarrten.

Viele Tage irrte die Stiefmutter umher, bis sie an ein Tor kam. Dort stand die Herrin, doch zweimal so groß wie zuvor.

»Wisse, Elende, dass ich die Frau Holle bin, die Herrin der Unterwelt. Dein schlechtes Herz hat sich seinen Lohn geholt. Und nun hinaus mit dir!«

Das Tor sprang auf, und die Stiefmutter wurde wie von der Hand eines Riesen hinausgeschleudert. Mit zerzaustem Haar, zerrissenen Kleidern und einem Korb voll schmutziger Wäsche stand sie wieder vor dem zugefrorenen Brunnen. Langsam ging sie nach Hause.

Doch ihr Herz war nicht ganz böse, sonst wäre sie nicht so leicht davongekommen. Von Stund an hieß sie die kleine Marie nie mehr Dumm-Mara, sondern nur das Goldmariechen, und behandelte sie wie ihr eigenes Kind. Und im Laufe der Zeit gewannen sich die beiden sogar lieb.

Marie aber lebte lange und glücklich, und immer, wenn sie doch einmal traurig wurde, dachte sie an Frau Holle und an Johannes, ihren Bruder, der immer über sie wachte und den sie eines Tages wiedersehen würde.

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Glück oder Unglück – wer weiss das schon?

Im alten China lebte einst ein armer alter Bauer, dessen einziger Besitz ein wundervoller weißer Hengst war, Selbst der Kaiser träumte davon, dieses Pferd zu besitzen. Er bot dem Alten Säcke voller Gold und Diamanten, doch der Alte schüttelte beharrlich den Kopf und sagte: „Mir fehlt es an nichts. Der Schimmel dient mir seit vielen Jahren und ist mir zum Freund geworden.

Und einen Freund verkauft man nicht; nicht für alles Geld der Welt. Und so zogen die Gesandten des Kaisers unverrichteter Dinge wieder ab.

Die Dorfbewohner lachten über so viel Unvernunft. Wie konnte der Alte bloß wegen eines Pferdes soviel Reichtum und Glück ausschlagen ?

Eines Morgens war das Pferd verschwunden. Die Dorfbewohner liefen aufgeregt vor dem leeren Stall zusammen, um das Unglück des alten Bauers zu beklagen. „sag selbst, Alter, hat sich deine Treue gelohnt? Du könntest ein reicher Mann sein, wenn du nicht so eigensinnig gewesen wärst. Jetzt bist du ärmer als zuvor. Kein Pferd zum Arbeiten und kein Geld zum Leben, Ach, das Unglück hat dich schwer getroffen.“

Der alte Bauer blickte bedächtig in die Runde, nickte nachdenklich und sagte: „Was redet ihr da ? Das Pferd steht nicht mehr im Stall, das ist alles, was ich sehe. Vielleicht ist es ein Unglück, vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon so genau?“ Tuschelns gingen die Leute auseinander. Der Alte musste durch den Schaden wirr im Kopf geworden sein, anders ließen sich seine Worte nicht erklären.

Einige Tage später, es war ein warmer, sonniger Frühlingstag und das halbe Dorf arbeitete in den Feldern, stürmte der vermisste Schimmel laut wiehernd die Dorfstrasse entlang. Die Sonne glänzte auf seinem Fell, und die Mähne und Schweif flatterten wie feinste Silberfäden im Wind. Es war ein herrlicher Anblick, wie er voller Kraft und Anmut dahergaloppierte.

Doch das war es nicht allein, was die Dörfler erstaunt die Augen aufreißen ließ. Noch mehr Staunen riefen die sechs wilden Stuten hervor, die hinter dem Hengst hertrabten und ihm in die offene Koppel neben dem leeren Stall folgten.

„O du Glücklicher, von den Göttern gesegneter Mann! Jetzt hast du sieben Pferde und bist doch noch zum reichen Mann geworden. Bald wird Nachwuchs deine Weiden füllen. Wer hätte gedacht, dass dir noch einmal soviel Glück beschieden wäre?“ riefen sie, während sie dem alten Mann zu seinem unverhofften Reichtum gratulierten.

Der Alte schaute gelassen in die aufgeregte Menge und erwiderte: „Ihr geht zu weit. Sagt einfach: Jetzt hat er sieben Pferde. Ob das Glück oder Unglück bringt, niemand weiß es zu sagen.

Wir sehen immer nur Bruchstücke, wie will man da das Ganze beurteilen. Das Leben ist so unendlich vielfältig und überraschend.“

Verständnislos hörten ihm die Leute zu. Die Gelassenheit des Alten war einfach unbegreiflich. Andererseits war er schon immer etwas komisch gewesen. Na ja, sie hatten andere Sorgen.

Der alte Bauer hatte einen einzigen Sohn. In den folgenden Wochen begann er die Wildpferde zu zähmen und einzureiten. Er war ein ungeduldiger, junger Mann,und so setzte er sich schon früh auf eine der wilden Stuten. Dabei stürzte er so unglücklich vom Pferd, dass er sich beide Beine mehrmals brach. Obwohl die Heilerin ihr Bestes tat, war allen klar, dass seine Beine nie wieder ganz gesund werden würden. Für den Rest seines Lebens würde er ein hinkender, behinderter Mann bleiben.

Wieder versammelten sich die Leute vor dem Haus des Alten. „O du armer, alter Mann!“ jammerten sie, „nun entpuppt sich dein Glück als großes Unglück, dein einziger Sohn, die Stütze deines Alters, ist nun ein hilfloser Krüppel  und kann dir keine Hilfe mehr sein. Wer wird dich ernähren und die Arbeit tun, wenn du keine Kraft mehr hast? Wie hart muss dir das Schicksal erscheinen, das dir solches Unglück beschert.“

Wieder schaute der Alte in die Runde und antwortete: „Ihr seid vom Urteilen besessen und malt die Welt entweder schwarz oder weiß. Habt ihr noch immer nicht begriffen, dass wir nur Bruchstücke des Lebens wahrnehmen. Das Leben zeigt sich uns nur in winzigen Ausschnitten, doch ihr tut, als könntet ihr das Ganze beurteilen. Tatsache ist, mein Sohn hat beide Beine gebrochen und wird nie wieder so laufen können, wie vorher. Lasst es damit genug sein. Glück oder Unglück, wer weiß das schon.“

Nicht lange danach, brach ein Krieg aus. Das ganze Dorf war von Wehklagen und Trauer erfüllt, denn alle wussten, dass die meisten Männer nicht mehr heimkehren würden.

Wieder einmal liefen die Dorfbewohner vor dem Haus des alten Bauern zusammen.: „Wie recht du hattest. Jetzt bringt dein Sohn dir doch noch Glück.

Der Alte schaute nachdenklich in die verstörten Gesichter der Leute.“Könnte ich euch nur helfen, weiter und tiefer zu sehen, als ihr es bisher vermögt. Wie durch ein Schlüssellloch betrachtet ihr euer Leben, und doch glaubt ihr, das Ganze zu sehen. Niemand von uns weiß, wie sich das große Bild zusammensetzt. Was eben noch ein großes Unglück scheint, mag sich im nächsten Moment in Glück erweisen.

Anderseits erweist sich scheinbares Unglück auf längere Sicht oft als Glück und umgekehrt gilt das gleiche.  Sagt einfach: Unsere Männer ziehen in den Krieg, und dein Sohn bleibt zu Hause. Was daraus wird, weiß keiner von uns. Und jetzt geht nach Hause, und teilt die Zeit miteinander, die euch bleibt.

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Die Kälte – mein Lehrer

Es ist die kalte Jahreszeit und die Badesaison hat nun für manche Menschen angefangen. Aber warum überhaupt sich überwinden und sich dieser vermeintlich unangenehmen und intensiven Erfahrung aussetzen?

Mit dem Sprung ins kalte Wasser entscheidest Du Dich, Deine Komfortzone zu verlassen. Du begibst Dich in eine Extremsituation. Und nun kannst Du üben, mit dieser Empfindung umzugehen und trotz dem „Stress“ in die Ruhe zu kommen. Das ist Training für alle anderen Situationen in Deinem Leben, die Dich herausfordern.

Macht über Dich selbst

Im kalten Wasser tut Dein Körper, wofür er gemacht ist: das Überleben sichern. Er gibt Dir unaufhaltsam Signale, dass hier eine Bedrohung ist und Du schleunigst aus dem Wasser raus sollst. Durch die Entscheidung, in der Kälte zu bleiben, übernimmst Du die Macht über Dich. Diese Erfahrung wirst Du in anderen Momenten Deines Lebens – beispielsweise im Moment von Triggern und starken Gefühlen – erneut abrufen können.

Liebe zu Deinem Körper

Du wirst in der Kälte nur bestehen können, wenn Du eine liebevolle Haltung zu Deinem Körper entwickelst. Ja, Du kannst der Drill-Sergeant sein, der seinen Körper mit Härte und Disziplin vorwärts treibt, aber Du wirst bald merken, dass es sich nicht gut anfühlt. Durch die Wertschätzung Deinem Körper gegenüber, durch das Anerkennen der grossen Leistung, die er in diesem Moment vollbringt, lernst Du ihn und somit auch Dich selbst liebevoll zu behandeln.

Bewertungen loslassen

Wenn Du einer solch intensiven Körpererfahrung ausgesetzt bist, dann läuft der Kritiker in Deinem Kopf auf Hochtouren. Je mehr Du mit ihm mitgehst, desto unangenehmer wird die Erfahrung. Um die Situation zu meistern, wirst Du beginnen, die Bewertung sein zu lassen und die Empfindung als das zu sehen, was sie ist – eine Erfahrung.

Transformation

Und diese Erfahrung ist ein Weg zu Deinem Potenzial, Deiner Heilung. Denn durch die intensive Körpererfahrung werden alle Deine Zellen wie auch Dein Unterbewusstsein aktiviert und Du kannst Veränderungen in Deiner Haltung und Deinem Verhalten ermöglichen. Dafür brauchst Du eine klare Absicht, eine Affirmation, welche Du in Deine Begegnung mit der Kälte mitnimmst und im Fokus behältst – dann ist die Kälte Dein Lehrer, dein Therapeut.

Und wie starten?

Wenn es Deine ersten Erfahrungen mit der Kälte sind, empfiehlt es sich langsam vorzugehen, dabei aber achtsam zu sein, dass es keine Entschuldigungen sind, um der Konfrontation auszuweichen. Du bist somit eingeladen, Dich selbst in dem Moment zu spüren und ehrlich zu Dir zu sein. Vielleicht beginnst Du mit einer kalten Dusche oder einem Winterspaziergang im T-Shirt?

Und dann? Die wichtigste Regel in der Kälte: Ausatmen! Dein Körper möchte rasant einatmen, Du tust aber genau das Gegenteil und bringst Dich so in die Ruhe. Der zweite Aspekt: Freude. Geh es spielerisch an, mit Leichtigkeit. Wenn Du im kalten Wasser sitzt und lächelst, ist Dir das gelungen. Der dritte Aspekt: Nutze Deine Vorstellung. Stell Dir einen heissen Sommertag vor, an welchem Du schwitzt und schau, was passiert. Viel Spass beim Experimentieren!

Du gehst in Resonanz und möchtest in einer Gruppe in Begegnung mit Atem, Kälte und Dir selbst kommen? Im Januar findet das nächste Breathcode-Wochenende statt. Auf dem Bild siehst Du unsere Badewanne.

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Die Trolle und der Koboldjunge

Diese Geschichte ist aus dem Buch „Rauhnächte“ von Harald Krassnitzer

In dem Vorratshaus des kleinen Bauernhofes am Waldrand wohnten drei kleine Kobolde, Tjarfa, Torgus und Tjovik. Sie waren kaum mehr als eine Viertelelle lang und gehörten einem alten Koboldgeschlecht an, das schon über neunhundert Jahre auf dem Hof lebte. Das Anwesen hatte viele Male den Besitzer gewechselt. Die alten Menschen waren fortgegangen, und an ihrer Stelle waren neue gekommen. So war es Geschlecht auf Geschlecht Jahrhunderte hindurch gewesen. Aber die Koboldfamilie blieb treu wohnen, und die Würde des Großkobolds oder Hauskobolds auf dem Hof vererbte sich vom Vater auf den Sohn.

Es war Weihnachtsabend und großer Festschmaus dort unten im Vorratshaus. Der alte Koboldvater, Tjarfa Jovikson, wurde in der Weihnachtsnacht fünfhundert Jahre alt, und deshalb wurde gleichzeitig Geburtstagsund Weihnachtsschmaus gehalten. Er war trotz seines hohen Alters munter und rüstig, hatte die Hausherrngewalt aber kürzlich seinem Sohn, Torgus Tjarfason, übergeben, einem Dreihundertjährigen im Vollbesitz seiner Kräfte. Nun lebte der Alte auf dem Altenteil zwischen ein paar Mehlfässern in einer Ecke des Vorratshauses.

Der jüngste kleine Kobold, Tjovik Torgusson, war ein Knirps von nur hundert Sommern. Er hatte noch keinen Bart und reichte dem Vater kaum bis zur Achselhöhle.

Der kleine Hof lag sehr schön zwischen Wiesenstreifen und mit Laubwald bedeckten Hügeln. Zur einen Seite breiteten sich die Äcker aus, aber die andere Seite bedeckte dichter, dunkler Wald.

Ein Stück im Wald lag der steile, felsige Fuchsberg, und dort wohnten die Trolle Jåmpa und Skimpa. Jåmpa war der Trollkönig und lebte im Berg, und Skimpa war seine Frau. Lange bevor die Menschen in das Land gekommen waren, hatten sie schon dort gewohnt, sie waren viertausend Jahre alt.

Zwischen den Kobolden und den Trollen hatte zu allen Zeiten bittere Feindschaft geherrscht. Die Trolle waren groß, stark, böse und dumm, die Kobolde waren klein wie Puppen, aber freundlich und sehr klug. Die Trolle wollten den Leuten auf dem Hof nur Böses zufügen, und das konnten die Kobolde nicht zulassen. Deshalb gab es ständig Streit zwischen ihnen. Manchmal hatten die Kobolde die Oberhand, manchmal die Trolle. Anders kann es nicht sein, wenn sich Kraft und Verstand bekämpfen. Doch wer den Sieg davontrug, hing meistens von den Menschen ab, die auf dem Hof wohnten.

Jetzt war also großer Festschmaus im Vorratshaus. Alle Kobolde aus der Gegend waren eingeladen, und es ging fröhlich und lebhaft zu. Das Vorratshaus war reichlich versehen mit allerlei Esswaren. Es gab Äpfel und Würzbrot und Schinken und Wurst auf dem kleinen Tisch, einer umgedrehten Zuckerkiste. Die Leute auf dem Hof wussten sehr gut, wie vorsichtig die Kobolde waren und dass sie niemals auch nur ein Körnchen unnötigerweise verschwendeten.

»Großvater, jetzt musst du Geschichten von Skimpa und Jåmpa erzählen«, sagte Tjovik. Und er krabbelte auf den Schoß des Alten und streichelte seinen langen weißen Bart.
»Jaja, mein Kleiner«, sagte der Großvater fröhlich. »Sitz nur still jetzt, dann sollst du von alten Zeiten hören.«

Alle Kobolde setzten sich auf ihren Plätzen zurecht. Einige lagen halb auf dem Fußboden, die Hand unter der Wange, andere saßen auf umgedrehten Anchovisdosen und baumelten mit den Beinen.

»Jaja«, begann der alte Tjarfa, »ihr werdet sehen, vor achthundert Jahren, als mein Großvater Tarja Torgusson in seinen besten Jahren war, da war Leben da oben auf dem Fuchsberg. Das war zu der Zeit, als das Christentum im Land eingeführt werden sollte und die Leute dort in der Ebene eine Kirche bauten. Aber davon wollten die Trolle natürlich 

nichts wissen, und so rissen sie jede Nacht nieder, was die Leute am vorhergehenden Tag gebaut hatten.«

»Aber die Kirche wurde jedenfalls gebaut«, sagte der kleine Tjovik.

»So ist es, mein Junge, und Tarja, mein alter Großvater, hat den Leuten dabei geholfen. Er nahm eine Tüte mit Asche, wisst ihr, und kletterte auf einen Baum neben dem Felsen. Als dann die Trolle in der Nacht herauskamen, um Steine zu sammeln, die sie anschließend auf die Kirche werfen wollten, blies er ihnen Asche in die Augen.«

»Und da konnten sie die Kirche natürlich nicht sehen«, riefen die Kobolde entzückt.

»Nein, das konnten sie nicht. Das war vielleicht ein Geheul und Geschrei bei den Trollen, als sie ihre Blöcke auf gut Glück werfen mussten und kein einziger traf.«

»Armer Jåmpa«, kicherte der Koboldjunge.

»Nun, da wurde die Kirche also fertig«, fuhr der alte Tjarfa fort. »Der Bischof weihte sie, und danach konnten die Trolle ihr nicht mehr schaden. Aber umso schlimmer hausten sie im Wald unter Mensch und Tier. Damals gab es Wölfe und Bären, die von den Trollen auf das Vieh der Bauern gehetzt wurden. Und Großvater musste ständig hin und her flitzen, um den armen Leuten zu helfen.«

»Haben die Trolle ihn nie erwischt?«, fragte Tjovik.

»Doch, viele Male hatten sie ihn drinnen im Berg, aber er hat es immer verstanden, sie an der Nase herumzuführen und zu entwischen. Manchmal kam er schmutzig und mit zerrissenen Kleidern nach Hause, aber manchmal brachte er so viel Gold mit, wie er tragen konnte.«

»Haben die Trolle Gold im Berg?«, fragte der Junge verwundert. Da fingen die anderen Kobolde so herzlich an zu lachen, dass ihre Bärte hüpften.

»Man merkt, dass du noch ein Kind bist, kleiner Tjovik«, sagten sie. »Sonst wüsstest du wohl, dass der Berg voller Ringe und Spangen und anderem Goldschmuck ist.«

»Los!«, rief der kleine Kobold entzückt. »Wollen wir nicht versuchen, ein wenig von den Schätzen nach Hause zu schaffen? Die armen Leute hier in der Gegend können schon ein bisschen Flitterkram gebrauchen, um sich daran zu erfreuen.«

»Nein, nein, mein Kleiner«, sagte der Vater verdrießlich. »Das Gold, das die Menschen von den Trollen bekommen, wird nie zum Segen. Es weckt nur Hochmut, Faulheit und Verschwendung, Streit, Schlägereien und Feindschaft. Das begriff mein Großvater schnell, und deshalb haben sowohl mein Vater und ich als auch alle anderen Kobolde hier in der Gegend das Berggold in Ruhe gelassen.«

»Ja, es ist wohl auch nicht so leicht, da heranzukommen«, meinte Tjovik.

»Doch, in solch einer Nacht wie dieser geht es ziemlich leicht«, antwortete der alte Großvater. »In der Weihnachtsnacht holen die Trolle ihre Schätze hervor, um sie zu zählen, und dann sind sie so eifrig dabei, dass sie nichts hören und nichts sehen.«

»Aber wie kommt man in den Berg?«, fragte der Koboldjunge.

»In der Weihnachtsnacht gehen die Türen des Berges von selbst auf«, antwortete der Alte. »Aber wehe dem Armen, der dort bleibt, bis die Glocken zum Frühgottesdienst läuten. Dann bekommen die Trolle Gesicht und Gehör zurück, und dann wird man erwischt.«

»Und ist dein Vater auch mal mit den Trollen in Streit geraten, Großvater?«

»Jovik Tarjason! Ja, das will ich meinen. Einmal hing sein Leben nur an einem Faden. Das war, als er auf dem Ochsen aus dem Berg ritt.«

»Wie war denn das? Lieber Großvater, erzähl, erzähl.«

»Ja, also Skimpa hatte dem Bauern auf dem Hof hier einen Ochsen gestohlen. Mein Vater wurde natürlich wütend und schlich sich in den Berg hinein. Das ging wunderbar, denn die Trollalte hatte vergessen, die Tür zu schließen. Da stand Jåmpa mit einer Axt vor dem Ochsen und wollte ihn schlachten. Na, mein Vater, der war nicht bange. Er kletterte am Schwanz auf den Ochsen hinauf und stach ihn mit einer Stecknadel in den Rücken. Heisa! Der Ochse machte einen Sprung und stieß Jåmpa und Skimpa mit den Hörnern, sodass alle beide auf den Rücken fielen. Und dann sauste der Ochse zur Tür hinaus, mit Vater auf dem Rücken.«

Die Kobolde lachten so, dass zwei kleine Kobolde von den Anchovisdosen herunterkullerten.

»Na, und du, Großvater? Bist du einmal im Berg gewesen?«, fragte Tjovik.

»Viele Male. Aber ich habe niemals etwas anderes von den Trollen genommen als das, was sie den Leuten geraubt hatten. Einmal kam ich mit knapper Not mit dem Leben davon. Ich verlor die Zipfelmütze und die Holzschuhe und kam schwarz wie ein Schornsteinfeger nach Hause.«

»Wie bist du denn so schwarz geworden, Großvater?«

»Ja, ich musste doch durch den Schornstein hinaus, weil alle Türen verschlossen waren.«

»Da warst du genauso schlimm dran wie mein Bruder vor ein paar Jahren«, sagte einer der Kobolde.

»Wie war denn das mit ihm, Onkel?«, fragte Tjovik.

»Ja, er wollte das geraubte Hütemädchen vom Granhultabauern suchen und war noch im Berg, als der Hahn krähte und alle Türen zuschlugen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich in die Bergquelle zu werfen und sich von dem Strom tragen zu lassen, der unter der Erde fließt. Du weißt, dass der Bach, der hier am Hof vorbeiführt, im Berg seine Quelle hat. Der Ärmste hatte keinen trockenen Faden am Leib, als er nach Hause kam.«

Der kleine Kobold hörte dies alles mit größtem Interesse. Er wollte den Trollen zu gern einen Armreifen oder eine Goldkette wegschnappen und sie Anna-Lisa geben, der ältesten Tochter im Haus, die bald getraut werden sollte. Sie war zu allen freundlich, und Tjovik wollte ihr etwas Gutes tun.

Lange saßen die Kobolde und lauschten dem alten Tjarfa. Doch schließlich wurden alle müde. Die Gäste gingen nach Hause. Der Großvater bettete sich auf einem alten Handschuh zur Ruhe, der in einer Ecke herumlag, und Torgus und Tjovik legten sich auf ein Katzenfell zwischen ein paar Zuckerkisten.

Aber der kleine Kobold konnte nicht einschlafen. Er lag nur da und grübelte darüber nach, wie er Anna-Lisa ein Schmuckstück aus dem Berg beschaffen könnte, nur ein einziges. Das konnte ihr doch nicht schaden? Die Menschen wurden wohl nur böse, wenn sie zu viel Gold bekamen.

Schließlich stand er auf, setzte die Zipfelmütze auf und zog die Holzschuhe an, ergriff seinen kleinen Stock und begab sich in den Wald hinaus.

Die Nacht war still und dunkel. Kein Stern blinkte am Himmel, und aus den Häusern des Dorfes fiel kein einziger Lichtschein. Alles schlief den tiefen, ruhigen Mitternachtsschlaf, nur vom Wald her ertönte ein paarmal das langgezogene Heulen eines Fuchses.

Der kleine Kobold trippelte rasch weiter. Er hatte keine Angst vor der Dunkelheit und kümmerte sich auch nicht um den Fuchs. Mit dreidaumenlangen Beinen ist man nicht besonders schnell, aber der Knirps konnte drei Schritte machen, wenn ein Mensch einen tut, und deshalb kam er auf jeden Fall vorwärts. Nach einer Stunde war er am Fuß des Fuchsberges.

Hu, wie felsig und steil und hoch er aufragte! Kein einziger Lichtstreifen drang aus den Felsspalten, aber von innen war Klingen und Rasseln zu hören, als ob jemand mit Gold- oder Silbergeld klapperte.

Wartet nur, sagte der kleine Kobold und begann den Berg hinaufzuklettern.

Es ging nicht schnell, aber es ging immerhin. Manchmal rutschte er ein Stück zurück, aber er griff von Neuem zu und kam immer höher hinauf. Keuchend und verschwitzt gelangte er von Klippe zu Klippe, von Felsblock zu Felsblock, schwang sich von einem Absatz auf den anderen und war bald auf halber Höhe. Aus einem Gehölz in der Nähe ertönte der Schrei einer Eule, aber Tjovik ließ sich nicht schrecken. Er wollte klettern, bis er eine Öffnung fand, durch die er zu den Trollen hineinkommen konnte.

Da sah er schließlich aus einem kleinen Spalt im Felsen einen Lichtschein. Er steckte seinen Stock in den Spalt und drückte ihn zur Seite. Die Türangeln mussten wohl gut geölt worden sein, denn die Tür ging sacht auf, ohne dass ein Laut zu hören war.

Der Knirps kam jetzt in einen großen Saal, Wände und Decke waren aus schwarzem, rauem Gestein. Hier und da lagen Knochen großer Tiere auf dem Boden, und an den Wänden hingen rostige Waffen.

»Hu, hier ist es unheimlich«, sagte der Koboldknirps und ging weiter.

Da kam er an eine neue Tür, die aus Kupfer zu sein schien. Sie ging genauso leicht auf wie die erste, und nun gelangte Tjovik in einen neuen Saal. Hier lagen Haufen von Silbergeld an den Wänden, aber kein einziges lebendes Wesen war zu sehen.

Der Koboldjunge blieb verwundert stehen und schaute auf die Silberhaufen.

»Hier könnte ich mir ja schon Geld für eine Uhr beschaffen, an der mein braver Bauer seine Freude hätte«, sagte er. »Aber halt. Was ist das für ein Klingen hinter dieser Silbertür. Ich möchte doch wissen, was sie da drinnen machen …«

Er ging leise auf die Silbertür zu und öffnete sie. Und was bekam er zu sehen! Mitten auf dem Fußboden stand eine offene Kiste, und neben ihr saßen zwei schreckliche Trolle und klirrten mit Goldringen, Armbändern, Perlen und Edelsteinen. Sie waren so damit beschäftigt, ihre Schätze in der Kiste zu zählen, dass sie es weder hörten noch sahen, als Tjovik hereinkam.

An der einen Seite des Saals befand sich eine Quelle, aus der das Wasser unter die Wand und in die Erde strömte. Am Rand lag ein geborstener Holzschuh, der mit einer Schnur an der Wand festgebunden war, dass er nicht fortschwimmen konnte.

Diesen unförmigen Holzschuh hat Skimpa in die Quelle gesetzt, damit der Riss dicht wird, sagte Tjovik zu sich selbst. Wer weiß, ob ich nicht in diesem Boot von hier fortsegele, falls die Türen geschlossen werden sollten.

Leise und vorsichtig ging er zu der Kiste. Aber die war so hoch, dass er nicht bis zum Rand reichte. Er reckte und streckte sich, sosehr er konnte, und im gleichen Augenblick, da … ja, nun sollt ihr es erfahren.

Jåmpa und Skimpa mussten auf einmal niesen. Du meine Güte, so stark, dass der Berg erdröhnte! Der Luftzug war so kräftig, dass der kleine Kobold wie ein Handschuh durch die Luft flog und kopfüber auf das Gold in der Kiste fiel.

Ach, nun geht doch alles schief, dachte Tjovik und umklammerte den Stock, um sich gegen die Trolle zu verteidigen.

Doch die dummen Wesen hatten ihn nicht gesehen. Sie zählten und zählten nur. Der Knirps sah sich zwischen all dem Gold um. Und er wählte eine Kette aus, die gerade lang genug als Halskette war, und versuchte dann auf den Rand der Kiste zu klettern, um von dort auf die Erde springen zu können.

Da begannen im gleichen Augenblick die Kirchenglocken zum Frühgottesdienst zu läuten. Beide Trolle sprangen auf und stopften sich die Finger in die Ohren. Alle Türen des Berges fielen ins Schloss, und der Kistendeckel schlug über dem Gold und dem kleinen Kobold zu.

Ja, da saß er nun wie eine Maus in der Falle. Aber er gehörte nicht zu denen, die gleich den Mut verlieren.

Wenn ich nur die Trolle dazu bringen kann, die Kiste wieder zu öffnen, dann wird sich schon Rat finden, dachte er. Und er hielt den Mund an das Schlüsselloch und pfiff wie eine Maus.

»Wir haben eine Maus in der Kiste, Vater«, sagte die Trollalte.

»Die muss da sitzen bis zum nächsten Weihnachtsabend«, sagte der Troll.

»Dann frisst sie Löcher in die Kiste, Väterchen«, sagte die Alte.

»Da kannst du recht haben, Mütterchen«, sagte der Alte.

Und er öffnete die Kiste und sah den Koboldknirps an der Kante sitzen.

»Ja, du bist mir eine lustige Maus«, sagte er und lachte so, dass der Bauch wackelte. »Was bist du für ein Luftikus?«

»Ich bin Tjovik Torgusson, der Koboldjunge vom Hof«, sagte der Knirps keck.

»Ha, ha, ha! Hi, hi, hi! Ho, ho, ho!«, lachte der Trollalte, während er den Knirps zwischen Daumen und Zeigefinger nahm. »Du wirst eine nette kleine Nachspeise nach dem Weihnachtsschinken. Hast du die Bratpfanne in Ordnung, Mutter?«

»Ihr könnt mich doch nicht braten, bevor ich mir den Schmutz von den Fingern gewaschen habe«, sagte Tjovik.

»Warte nur«, sagte der Troll. »Du wirst schon gewaschen werden, darauf kannst du dich verlassen.«

Und dann setzte er den Knirps an den Rand der Quelle und schüttete Wasser über ihn.

»So wird das nichts!«, rief Tjovik. »Du musst schon eine Bürste und Seife herholen.«

»Das ist ja ein strenger kleiner Herr«, brummte der Troll und ließ ihn los, um eine Bürste zu holen.

Im gleichen Augenblick sprang der kleine Kobold in den Holzschuh, zog sein Taschenmesser heraus und schnitt die Schnur durch, die ihn festhielt.

Heisa! Der Holzschuh folgte sofort der Strömung unter die Felswand. Jåmpa und Skimpa stießen gleichzeitig so ein Geheul aus, dass das Trommelfell hätte zerspringen können. Aber der kleine Kobold schwenkte seine Zipfelmütze und rief: »Hurra!«

Der Strom führte den Holzschuh mit dem kleinen Passagier durch den unterirdischen Kanal hinaus in den Bach, der am Hof vorbeifloss. Dort sprang der Knirps an Land und ging nach Hause. Aber die Goldkette hatte er verloren, als der Troll Wasser über ihn geplanscht hatte.

Um ein Haar hätte der kleine Kobold vom Vater und auch vom Großvater für sein dummdreistes Verhalten Prügel bezogen. Aber er kam noch einmal so davon, weil er vorher noch nie etwas ausgefressen hatte. Und er musste versprechen, niemals mehr nach anderen Schätzen zu suchen als solchen, die man durch nützliche Arbeit verdienen kann. Und dies Versprechen hat er als ehrlicher Kobold immer gehalten.

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Der arme Tischler und der Herr des Waldes

Diese Geschichte ist aus dem Buch „Rauhnächte“ von Harald Krassnitzer
Bildquelle: Wikipedia „der grüne Mann“

Vor Jahren lebte ein armer Tischler mit seiner alten Mutter, seiner Frau und seinen drei Kindern am Rande des großen Waldes. Sie mussten keinen Hunger leiden, doch manchmal fehlte das Geld, um neue Kleidung für die Kinder oder Medizin für die kranke Mutter zu kaufen.

Eines Winters, in dem es sehr kalt war und die Wölfe lauter heulten als sonst, war die Armut besonders drückend. Unter dem Christbaum hatten keine Geschenke gelegen, und die traurigen Augen seiner Kinder machten auch den armen Tischler traurig.

Er wusste nicht, was er tun sollte: Er war fleißig und beherrschte sein Handwerk, doch es gab nicht genug Leute, die ihre Tische und Stühle bei ihm anfertigen ließen. Vielleicht lag es daran, dass er alles, was er tat, sehr sorgfältig machte und mehr Zeit brauchte als andere seiner Zunft. Am liebsten hätte er jedes Stück mit kunstvollen Schnitzereien versehen, doch das wollten die Leute nicht – und wollten sie es, so wollten sie doch nicht für diese Arbeit zahlen.

In einer dunklen Rauhnacht plagte die Schwermut den armen Tischler so sehr, dass er es nicht im Hause aushielt. Er zog sich einen dicken Mantel an und ging hinaus, in die klirrende Kälte der letzten Nacht des Jahres. Die Kälte machte seinen Kopf klar, doch die Schwermut blieb, wie ein leiser Ruf aus der Ferne.

Ohne es zu merken, war der Tischler tief in den Wald geraten. Der Vollmond schien, und es war ganz still im Wald. Er begann sich ein wenig zu fürchten. Hieß es nicht, dass in den Rauhnächten das kleine Volk oft aus der Erde kam und den Menschen Streiche spielte? Er hatte von Moosweiblein und Holzmännchen gehört, die einsame Wanderer in die Irre geführt hatten. Aber hatten die Alten im Dorf nicht auch gesagt, dass das kleine Volk großes Glück bringen könnte, wenn man ihm zur rechten Zeit, am rechten Ort und mit Höflichkeit begegnete?

Kaum hatte er das gedacht, meinte er, kleine Gestalten hinter den Bäumen hervorlugen zu sehen, und ihn schauerte. Doch er fasste sich ein Herz. Vielleicht war ja gerade heute die richtige Zeit. In diesem Moment fiel ihm ein Spruch ein, den er als Kind von seinem Großvater gehört hatte:

»Kleines Volk, kommt herfür, seht mein Herz, vertrauet mir, Mondenschein, Waldesklang zeiget euch, mir ist nicht bang.«

Kaum hatte er diese Worte geflüstert, raschelte es im Gebüsch, und der Tischler meinte, feine Stimmchen lachen zu hören. Er sah hinter den Busch, doch da war nichts. Enttäuscht wandte er sich um – und da standen zwei kleine Wichte vor ihm.

»Menschenkind, gib gut acht, bei vollem Mond der Neujahrsnacht hat mancher schon sein Glück gemacht. Dreimal wünsche, doch wünsche klug: Dann hast du für dein Leben genug.«

Damit verschwanden sie, als hätte der Wind sie fortgeweht, und nur ein leises, fernes Gelächter hing im Wald. Der arme Tischler wusste nicht, ob er geträumt hatte. Was hatten die Wichte gesagt? Er habe drei Wünsche? Er wollte schon den ersten Wunsch aussprechen, da fiel ihm ein, dass der Großvater nicht nur von der rechten Zeit und dem rechten Ort, sondern auch von der Höflichkeit gesprochen hatte. Er hatte ihn auch einen Spruch dazu gelehrt. Er verbeugte sich und sprach:

»Ich danke den Herren des Waldes. Ich ehre die Herrin des Waldes. Ich danke euch für eure Gabe …«

Es gab noch eine Zeile, doch die wollte ihm nicht einfallen. Schließlich sagte er:

»… auch wenn ich sie nicht verdienet habe.«

Da erschien ein riesenhafter alter Mann und donnerte: »Wünschen willst du also? Aber den Dankspruch kennst du nicht?«

Der Tischler zitterte und sprach: »Vergebt mir, Herr des Waldes.«

Der Alte nickte. »Deine Absicht war gut, und auch dein Reim war zwar nicht richtig, doch recht. Doch da du den richtigen Spruch nicht weißt, hast du nur einen Wunsch. Drum wünsche dreifach klug!« Er reichte dem Tischler einen Eisenring. »Steck den Ring an deinen Finger. Sprich deinen Wunsch, und drehe den Ring, und du wirst bekommen, was dir zukommt.«

Der Tischler hätte den Herrn des Waldes gerne noch befragt. Aber der war so plötzlich verschwunden, wie er gekommen war. Der Tischler rief noch einmal in den Wald: »Ich danke dem Herrn des Waldes und allen seinen Untertanen!«

Nun begann das Nachdenken. Was könnte er sich wünschen? Einen Beutel Gold. Nein, besser eine Truhe Gold. Oder eine große Werkstatt in der Stadt. Könnte er nicht, wenn er es sich nun schon wünschen dürfte, sogar Graf sein? Dem armen Tischler wurde ganz schwindelig.

Doch er war ein guter Kerl, und er hatte den Erzählungen seiner Großeltern immer genau zugehört. Wie viele Geschichten hatte er gehört, wo jemandem Wünsche gewährt wurden, doch seine törichten, selbstsüchtigen Wünsche hatten ihm nur Unglück gebracht!

So dachte der Tischler an seine liebe Frau, an seine geliebten Kinder und an seine alte, gute Mutter, und alle Selbstsucht verschwand aus seinem Herzen.

»Ich wünsche mir nur, dass es meinen Lieben gut im Leben gehen möge!« Und er bemerkte kaum, dass er dabei den Ring gedreht hatte.

Der Tischler war nun voller Zuversicht und ging mit frohem Herzen nach Hause. Es war noch immer die arme Hütte, doch er fühlte sich, als würde er in ein Schloss einkehren. Als er die Tür öffnete, stürmten seine Frau und seine Kinder zu ihm und fragten, was er denn so lange im Wald getan habe? Doch der Tischler lächelte nur, denn er wusste, dass man nicht leichtfertig von den Begegnungen mit dem kleinen Volk sprechen durfte.

Und wurde sein Wunsch erfüllt? Ja, doch nicht wie ein Zauber, sondern ganz so, als ob alles seinen natürlichen Gang ginge. Die alte Mutter wurde wieder gesund, niemand wurde mehr krank, und die Familie war arm, aber glücklich. Und schließlich verließ auch die Armut das Haus, die so viel Glück nicht ertragen konnte.

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